Eva Nielsen: LimestoneGalerie Peter Kilchmann
Zahnradstrasse, Zurich
Eva Nielsen
Limestone
March 22 - May 25, 2024
Opening: Thursday, March 21, 6 - 8 pm
Zahnradstrasse 21, Zurich
Walk-through with art historian and cultural researcher , Heike Munder during the opening.
Die Galerie Peter Kilchmann freut sich, die erste Einzelausstellung der dänisch-französischen Künstlerin Eva Nielsen (geb. 1983 in Les Lilas, FR, lebt und arbeitet in Paris) in den Räumlichkeiten an der Zahnradstrasse präsentieren zu dürfen. Die in diesem und letzten Jahr entstandenen und unter dem Ausstellungs-titel Limestone (Kalkstein) zusammengefassten, neunzehn Gemälde der Künstlerin, reichen von Tapeten mit darstellenden Landschaften bis hin zu architektonischen Metallstrukturen. Diese Arbeiten geben einen Überblick, eine erste Annäherung an Eva Nielsens Umgang mit Materialität, ihre charakteristische, heterogene
Verwendung von Materialien und Techniken, die die Künstlerin in ihrem Schaffen erforscht und entwickelt hat. Wichtig dafür war die BMW-Residenz in der Camargue im Jahr 2023, in dessen Rahmen beispielsweise die mit Organza umhüllten Metallstrukturen entstanden sind, die Teil dieser Ausstellung sind.
Nielsen ist für ihre hybriden Gemälde bekannt, in denen sie Öl, Acryl und Tinte mit Latex, Leder, Seide und Siebdruck mischt und damit eine komplexe und unvorhergesehene Bildkompositionen schafft. Sie ermöglicht dadurch den BetrachterInnen ein Durchstreifen und Erforschen von Landschaften in aufeinanderfolgenden, immersiven Schichten und eröffnet ihnen einen Zugang zu neuen visuellen Dimensionen. Die Malerin, Fotografin und Plastikerin fertigt Fotoserien von zufällig entdeckten Orten an oder gebraucht ihr Familienalbum als Inspirationsquelle für ihre Bilder. Die Motive transportiert sie mit Siebdruckschablonen, schneidet sie in Leder oder
druckt sie auf Seide. Wesentlich für Eva Nielsens Oeuvre ist, dass sich die einzelnen Schritte ihres Schaffens-prozesses sowohl physisch wie auch bildlich überlagern.
Die Serie Karst (170 x 120 cm) ist die erste, in der weder Pinsel noch Farbe zum Einsatz kommen. Karst ist eine Erdoberfläche, die aus der hydrochemischen und hydraulischen Erosion aller löslichen Gesteine entsteht. Die Werke wurden aus Lederresten der Gerberei Roux hergestellt. Die Zusammenarbeit entstand während der Residenz der Künstlerin bei LVMH im Jahr 2021. Diese zufälligen Formen, die von Handwerkern zusammengenäht wurden, liefern Puzzle-Landschaften, die an die Art und Weise erinnern, wie sich Felsen zusammenballen können oder in Richtung eines Tarnmusters weisen: Bei Karst II ist ein warmes Braun, kalkiges Weiss und Tiefschwarz vorherrschend. Auf diesem Leder, diesem tierischen und kraftvollen Material, entfaltet Nielsen einen Schleier aus bedrucktem Organza, der wie eine erweiterte Realität wirkt und Häuser auf der Höhe von Klippen erscheinen lässt. Seide und Leder sind zwei Materialien mit beinahe widersprüchlichen Eigenschaften: So scheint das Abgebildete fest und unveränderlich und gleichzeitig zerbrechlich, unerwartet und ungreifbar zu sein.
In ihren Landschaften fungieren der Begriff des Horizontschnitts und die Neudefinition des Raums als strukturierende Elemente, ihre Motive sind Konstanten, die sie aktiviert, um einen Widerspruch, eine Spannung zwischen der gedruckten Spur und der malerischen Geste zu erzeugen. Die direkte Erfahrung des Horizonts ist in den Bildwelten selten und wird in städtischen Gebieten erschwert wahrnehmbar – Blickhindernisse aus Stahlrahmen und -gittern sabotieren diese Erfahrung, wie in den Arbeiten Doline (Salicornia) und Doline (Alluvium) (je 230 x 190 cm). Sie widerspiegeln die Faszination der Künstlerin von den kunstvollen, volkstümlichen Gittern, die sie während ihres Aufenthalts in Arles entdeckt hatte. Diese strahlenförmigen, netzartigen Motive dienen als Filter zwischen der Landschaft und den BetrachterInnen.
Ascien (Terri I) (200 x 250, ascien: der mittags keinen Schatten hat), ist eine von Nielsens utopische, architektonische Bildwelt, die sich in diejenige Forschungsreihe der Künstlerin einreiht, die unter anderem an der Lyon Biennale 2022 ausgestellt wurde. Zwei schwebende, fragmentarische Architekturstrukturen in einer felsgrauen Farbe weisen den Blick auf ein Panorama. Der Himmel ist getüncht in Hellgelb und Apricot. Wird der Beginn oder das Ende des Tages angekündigt? Diese schachtähnlichen Motive – unterirdische Kanäle, durch die das Flusswasser geleitet werden sollte – sind schwarz-weisse Siebdrucke, die auf die nackte Leinwand übertragen wurden – dieselbe Technik wurde bei Doline (Salicornia) und Doline (Alluvium)angewendet. Auf den Druckprozess folgt bei diesen Arbeiten der Malprozess: Die bedruckten Bereiche werden durch Abdeckbänder abgedeckt, damit die Öl- und Acrylfarbe aufgetragen werden kann. Erst nach dem Entfernen dieser Abdeckungen wird durch eine – regelrecht radikale Geste – das endgültige Werk enthüllt, auch für die Künstlerin selbst.
"Über Häuser, Architekturen und Landschaften zu sprechen bedeutet, über den Menschen und seine Verbundenheit zum Ökosystem zu sprechen: Interpretation, Gestaltung, Fantasie und Zerstörung gehen dabei Hand in Hand.", sagt die Künstlerin. Die Serie Lucite widmet sich in diesem Sinne Sumpfgebieten als Durchgangsräume, Grenzzonen, Zwischenwelten zwischen Land und Meer. Als bewegliche Territorien, deren durchtränkte oder rissige Böden neue Texturen und Reliefeffekte darbieten, haben sie die Künstlerin dazu inspiriert sie mit dem Motiv eines zerknitterten Moskitonetzes zu ergänzen – gefertigt durch das Siebdruckverfahren auf die Leinwand oder das Papier aufgetragen. Die dadurch entstandenen Arbeiten erstrahlen in einer Palette in Hellgelb, Hellblau und Weiss und werden durchbrochen vom Grau und Schwarz des Drucks. Das Motiv dieses speziellen Stoffes bietet ein zusätzliches Gerüst, einen Schleier, der den Blick weiter vernebelt und die Mehrdeutigkeit dieser unsicheren und rätselhaften Landschaften unterstreicht.
Für Nielsen ist die Landschaft, sowie die Erfahrung mit der Landschaft nie neutral. Dieser sedimentierte Raum besteht aus zahlreichen Schichten, die gleichzeitig geologisch, politisch und sozial sind: Sein Kennzeichen ist sowohl Überlagerungen, sowie Komplexität. Für Phosphène II (80 x 60 cm) und Insula I (73 x 55 cm) entlieh sich Nielsen beispielsweise die weiblichen Silhouetten aus ihrem Familienfotoalbum. Tinte und Acryl wurden dabei zuerst auf die Leinwand aufgetragen, danach folgte der Siebdruck: Das Bild wird gerastert, ein Gitter wird erschaffen, das den Blick behindert und nur jenen durch die kleinen Zwischenräume erlaubt. In einem dritten Schritt wird der bedruckte Seidenorganza wie ein durchsichtiger Schleier, ein Film, Plasma oder ein organisches Hologramm aufgetragen und verklärt somit den Blick der BetrachterInnen weiter.
Dasselbe Verfahren wurde bei Diluvium II und Phosphène I angewandt – die Hütten im Hintergrund wurden in der Camargue am Rande der Sumpflandschaft fotografiert. Die Verwendung von Seide macht die bewusste Doppeldeutigkeit der Bilder beinahe greifbar. Dieser Stoffüberzug bietet eine seltene, visuelle Erfahrung, alles ist beweglich und präsentiert sich je nach Standpunkt der BetrachterInnen anders. Seide war ursprünglich das Material im Siebdruckverfahren, das zur Übertragung der Motive verwendet wurde. Das bei diesem Verfahren auf den Endprodukten unsichtbare Material, wird bei Eva Nielsen sichtbar, bekommt eine Hauptrolle.
In Insolare I und Insolare II (180 x 130 cm) wurde die Ölfarbe in einem Farbverlauf aufgetragen, der der klassischen Sfumato-Technik folgt. Über die auf diese Weise bemalten Hintergründe wird bedruckter Latex gespannt. Die Werke erscheinen in einer Manier, wie von Sonne erwärmter, glühender Haut. Betont wird dieser Eindruck durch die vorherrschenden, satten Farben in einer orangen Farbpalette. Man kann beinahe unmittelbar spüren, wie die Arbeiten die Wärme dieser seltsamen, aber verführerischen Gebiete der Camargue ausstrahlen.
Indem Eva Nielsen Ansichten kumuliert, sie überlagert, addiert, sie sich widersprechen und aufblühen lässt, gibt sich die Künstlerin wie eine Alchimistin. Sie überträgt die Erfahrung des Lebendigen in einen pluralistischen malerischen Vorschlag und erzählt damit von ihrer Obsession von einer fragmentarischen Vision, einer zersplitterten, unlösbaren, unvollkommenen und fesselnde Beziehung zur Welt.
Eva Nielsens Arbeiten wurden in den folgenden öffentlichen Institutionen ausgestellt: Mac/Val, Frankreich; LACE, Los Angeles; Plataforma Revolver, Portugal; BNKR, München; Perm Museum, Russland; Kunsthal Charlottenborg, Kopenhagen und Palais Pisztory, Bratislava, um nur einige zu nennen. Im Jahr 2009 wurde sie mit dem Prix des Amis des Beaux-Arts und 2014 mit dem Art Collector Prize ausgezeichnet (beide in Frankreich). Ihre Werke befinden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen, darunter das Mac/Val, das Musée de Rochechouart, das Musée des Beaux-arts de Paris, die Fiminco Fondation, die Société Générale Collection, das FMAC, das FRAC Auvergne, die Fondation Schneider, die Emerige Collection (alle in Frankreich) sowie das MOCA, Los Angeles, USA und die Fondation Thalie, Belgien. Im Jahr 2021 war Eva Nielsen Preisträgerin des LVMH Métiers d'Arts-Preises. Im Jahr 2022 wurde sie für den 23. Preis "Horizones" der Fondation Pernod Ricard nominiert und nahm an der 16. Biennale für zeitgenössische Kunst in Lyon teil: Manifest der Zerbrechlichkeit in Lyon, Frankreich. Im Jahr 2023 war sie zusammen mit Marianne Derrien Preisträgerin des BMW Art Makers Prize mit dem Projekt Insolare, das in Les Rencontres d'Arles 2023 ausgestellt wurde.
Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte: Fabio Pink (fabio@peterkilchmann.com)
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Eva Nielsen, Doline (Salicorne), 2023
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Eva Nielsen, Insula I, 2023
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Eva Nielsen, Lucite (They I), 2023
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Eva Nielsen, Lucite (They II), 2023
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Eva Nielsen, Lucite (They III), 2023
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Eva Nielsen, Polhodie V, 2024
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Eva Nielsen, Doline (Alluvions), 2023
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Eva Nielsen, Insolare I, 2023
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Eva Nielsen, Insolare II, 2023